Meine heutige persönliche Filmkritik:

Blade Runner 2049
(2017)

All meine Hoffnungen haben sich erfüllt: Der Film nimmt sich wunderbar Zeit, seine Geschichte zu erzählen (aber so was von!), und ist optisch und akustisch herrlich rund gestaltet und inszeniert. Manche Stadtaufnahmen haben das exakte Flair des Ur-Films. Die Kamera ist extrem ruhig und schnörkellos, bei vielen Dialogen gibt es nicht mal eine minimale Bewegung, sondern den klassischen unbewegten Blick vom Stativ. Der Schnitt trägt diesem Erzählrhythmus Rechnung und hält sich ebenso zurück. Die Musik und das Sounddesign, was eigentlich nur in der Kombi zu betrachten ist (da die Musik stellenweise nur 'tonlose' Klänge sind, oder man unsicher ist, ob das jetzt Musik-/Geräuschuntermalung oder sonderbare Atmo ist), sind sonderbar, melancholisch und oft ungemütlich, und damit sehr treffend - begleiten wir doch einen Einzelgänger mit ähnlichen Eigenschaften in einer Welt mit ähnlichen Eigenschaften.

 

Ryan Gosling spiegelt diese Stimmung hervorragend. In seinem überwiegend gekonnt ausdruckslosen Spiel scheint sich der Druck aller Last der Welt über seine Schultern direkt aus dem Gesichtsausdruck herausquälen zu wollen. Harrison Ford darf endlich mal wieder einen echten, gealterten, ernsthaften Charakter spielen. Ich hatte im Lauf der Zeit (u.a. durch Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels) schon fast vergessen, dass er ein sehr guter Schauspieler sein kann. Die restlichen Charaktere sind stimmig besetzt, kostümiert und frisiert. Vor allem Luv hat mir gut gefallen, und Karate (oder was auch immer) kann sie auch noch! Einzig Jared Letos Charakter habe ich etwas sonderbar künstlich, und teilweise aufgesetzt empfunden; aber diese Empfindung passt eigentlich wie die Faust aufs Auge.

 

Die Effekte sind natürlich erste Güte, wobei sie eine bewusst stickige Umgebung erschaffen dürfen, bei der man vor lauter Nebel oft ziemlich wenig oder sehr spät was erkennt. Und das ist der pralle Wahnsinn! Zusammen mit dem Set Design und gern heftig bunt gesättigter, oft bewegter Beleuchtung (vor allem in Innenräumen) ergeben sich abgefahrene Szenerien, die der Netzhaut schmeicheln! Immer unter dem Aspekt der Grundstimmung: sonderbar, und oft ungemütlich. Dazu gibt es einige Hochglanzeffekte, z.B. bei der Erinnerungsmacherin und im Prinzip alles mit Joi, und in Zusammenhang mit letzterer die bemerkenswerteste aufkeimende Sex-Szene seit langen! Zweier oder Dreier, körperlich oder platonisch – das ist hier die Frage. Ich verrate nichts, aber keine Angst, es bleibt alles dem Grundtenor treu, und transportiert gerade in dieser Szene auch ganz toll die Melancholie des Charakters (was dann mit dem riesigen, blau/lila Hologramm Richtung Schluss wieder aufgegriffen wird).

 

Inhaltlich schlafe ich erst nochmal ein paar Nächte darüber, um alle Details zu sortieren - was solche Filme ja auszeichnet, dass es hinterher im Kopf noch rotiert und man verstehen und ergründen will. Ich finde es ziemlich mutig, einen solchen Big-Budget-Film in dieser Machart ins Kino zu bringen, da er der von mir persönlich immer wieder kritisierten (da oft beliebig und ermüdend) Big-Budget-Action/SciFi-Machart so gänzlich konträr entgegensteht wie sich abstoßende Magnetpole. Gottlob will der Film gar kein Action-Film sein, nicht mal in den wenigen kurzen Action-Szenen. Was ich mir rein auf die Zuschauerzahlen heikel vorstelle (auch wenn es natürlich die Fangemeinde des Ur-Films gibt, die aber sicherlich nicht solch Massen mobilisiert wie z.B. der nächste Star Wars-Teil): Die Erfüllung der gewohnten Erwartung des gemeinen Liebhabers zeitgenössischer Berieselungs-Kracher wird komplett verweigert, da er schon fast einen dokumentarischen Eindruck bekommen könnte. Meine Empfindung dazu aus meiner persönlichen Leidenschaft heraus: Gut so! Ich habe mich sehr gefreut, dass die Mitgucker im Saal offenbar ähnlich empfunden haben, denn ich habe sehr selten ein durchgängig derart ruhiges Publikum erlebt: Kein Handyklingeln, keine Displays, kein Gelaber. Und das war wirklich oft auffallend, denn der Film ist seeehr oft seeehr ruhig. Diese Aura war so wunderbar und fesselnd – ich habe mein Popcorn eher lautlos gelutscht als knuspernd gekaut.

 

Fazit: 'Stimmungsvoll und malerisch für Auge, Ohr und Geist' fasst meine Empfindung glaube ich ganz gut zusammen.

Sascha Loffl - Filmemacher

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