Meine heutige persönliche Filmkritik:

Casino
(1995)

Deutliche Überlänge scheint bei seinen Filmen ja zum Standard zu gehören. Schön aber, dass das nie wirklich auffällt. Die Geschichte wird enorm kurzweilig erzählt, was hier fast schon zu viel des Guten ist. Was ich damit meine: Zu Beginn geht es schon flott los, und man hat den Eindruck, sich in einer Art Einführung zu befinden (mit Off-Erzähler), bevor es dann richtig losgeht. Nur geht diese Phase gut eine Stunde, und dann später im Film auch weiter. Gemacht ist das super: Kamera (sehr elegant die zahlreichen Plansequenzen), Schnitt, Erzählstil sind wirklich hervorragende Handwerkskunst. Was für mich aber einen Beigeschmack hat: Wird so eine Machart über ich schätze mal 85% des gesamten Films aufrecht erhalten, wird es irgendwann schwer, überhaupt einen Spannungsbogen wahrzunehmen. Dazu passt auch die ständige Musikberieselung (zeitgenössische Lieder, kein Score), oder passt eben nicht. Die Musikstücke waren alle stimmig ausgewählt und passten natürlich, aber ich muss ehrlich sagen, im Lauf der Zeit wurde es mir zu viel. Da hätte ich mir doch mal Ruhephasen gewünscht (die es natürlich gab, aber verhältnismäßig wenige). Allerdings kann ich mir vorstellen, dass dies auch eine brachiale Art der Milieuinszenierung sein könnte: Die Musik scheint nur dann zu verstummen, wenn das Leben der Protagonisten aus den Fugen zu geraten scheint, wenn sie den Eindruck haben, die Kontrolle zu verlieren, oder allgemein: wenn es mal wirklich 'ernsthaft' wird. Und das ist aus Sicht der Charaktere nicht sehr oft. Ansonsten verhält sich die Tonspur eben wie das klischeehafte Treiben in Las Vegas: bunt, laut, immer wach, es glänzt und klingelt. Aufgefallen ist mir das besonders an zwei Stellen: An der Aussprache im Restaurant, nachdem Ginger von Sam zu ihrem Ex abgehauen, aber gerade wieder zurückgekehrt ist (da pausiert die Musik tatsächlich nur für einige Sekunden während eines bestimmten Satzes), und irgendwann nachdem die FBI-Ermittlungen nach der Abhöraktion bedrohlich näherkommen. Stilistisch wäre das ähnlich wie in Shutter Island. Da hatte ich das auch vermutet. Ich bin mir unschlüssig, ob mir das in dieser Ausprägung wirklich gefällt, obwohl es film-ästhetisch und -technisch natürlich plausibel begründet werden kann.

 

Ich denke, Scorsese ist ein wirklich guter Geschichtenerzähler, denn die Handlung von diesem Film ist nicht eine besondere Sache im oberflächlichen Sinn à la 'Ein Unglück X reißt den Helden Y aus seinem Leben, er kämpft gegen den Bösen und am Ende hat er sein Ziel erreicht', sondern es ist eher ein zufälliger Blick, eine Momentaufnahme (auch wenn sie über einen längeren Zeitraum spielt) auf Charaktere und ihre Verknüpfungen zueinander, ohne dass herausragende Ereignisse einen Schwerpunkt bilden. Die Geschichte und die Charaktere werden durch die Fokussierung auf das eher Banale bzw. Alltägliche gut in ihrem Milieu beschrieben. Es wird sehr viel Zeit darauf verwendet, die Charaktere zu entwickeln und auch das drumrum zu zeigen. Das mag ich.

 

Witzigerweise bescheinigt DeNiro Sharon Stone, dass sie 'eine gute Schauspielerin' sei (weil sie die Mitleidsmasche spielt); und Sharon Stone (ihr Charakter war ziemlich anstrengend) war ja dann für den Oscar nominiert. Robert De Niro hat mir auch gut gefallen, und hat für mich mal wieder bestätigt, dass er im illegalen Milieu am besten wirkt. Aber Joe Pesci – oha. Toll gespielt. Ein unsympathischer, äußerst interessanter Charakter, stimmig verkörpert. Mein Bild von ihm war immer nur 'der nervige Typ aus Lethal Weapon'.

 

Insgesamt hat der Film auf mich positiv neutral gewirkt: Durchgehend mit freudigem Interesse gesehen, aber viel mehr auch nicht. Mein Lieblingszitat: 'Nein, ich finde nicht, dass Du blöd bist. Ich finde dass Du hübsch bist.'

Sascha Loffl - Filmemacher

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