Meine heutige persönliche Filmkritik:

Der Marsianer
(2015)

Ich kenne das Buch nicht, daher bleiben Aspekte im Film, die evtl. dem Buch geschuldet sind oder abweichen, unberücksichtigt. Ich finde den Film herrlich! Sehr lang, und sehr kurzweilig. Wie ich schon durch den Trailer vermutet hatte, handelt es sich nicht um ein getragenes Psychogramm eines einsam Gestrandeten, sondern ganz klar um eine Abenteuergeschichte, die filmstilistisch stellenweise sogar an ein Reality/Doku-Format erinnert, als wenn ein Kamerateam Matt Damon begleitet und er kommentiert – an einigen Stellen wartete ich förmlich darauf, dass er gleich direkt in die Kamera spricht. Und zwar in flappsiger Sprechart, die auch in den schärfsten Situationen nicht ganz abebbt. Dennoch empfand ich es im Großen und Ganzen als ok, da diese Art der Inszenierung und Dialoggestaltung (oft natürlich auch nur Monolog) dem Film insgesamt eine große spielerische Leichtigkeit verleiht, und den schier unerträglichen Druck der Situation auf ein Minimum abdämpft. Die (Trotz-)Reaktion 'Ich werde hier nicht sterben!' und eine resultierende Zielstrebigkeit stellt sich dann auch ziemlich schnell ein, und dann wird eben alles Nötige zum Überleben relativ automatisch durchgezogen. Finde ich an sich auch nicht völlig abwegig, schließlich strandet hier nicht ein Buchhalter plötzlich im Nirvana ohne Ausweg, sondern ein trainierter Astronaut, der an solche Extremsituationen analytischer herangeht. Das wird auch unterstützt durch Marks Aussage am Schluss vor den Nachwuchs-Astronauten (sinngemäß): 'Habe ich je daran gedacht zu sterben? Ja, aber man kann sich nur entscheiden, sich damit abzufinden oder was dagegen zu tun.' Das so 1:1 zu übernehmen ist natürlich stark vereinfacht, aber unser Filmheld konnte es offenbar. Dass im gesamten Verlauf praktisch keine (sichtbare) depressive Phase gezeigt wird, um das Gemüt vielleicht glaubwürdiger zu gestalten (zumindest denke ich, dass man im Allgemeinen in der Realität von so was ausgehen könnte), kann ich durch die genannte Entscheidung zugunsten einer Inszenierung als überwiegend lockerer Abenteuerfilm einwandfrei nachvollziehen. Erst als die Rettung zum Greifen nah ist, bricht Mark zum ersten Mal wirklich heftig in Tränen aus, was mir sehr gut gefallen hat, weil man es kennt: In Stress- oder Extremsituationen oder Lebenskrisen 'funktioniert' man oft ziemlich automatisiert weiter, und der Zusammenbruch kommt erst wenn es besser wird oder wenn es rum ist oder zumindest erst zu einem späteren Zeitpunkt. Nicht umsonst wird man bei Arbeitsüberforderung gerne mal pünktlich zum Wochenende oder zum Beginn des Urlaubs krank… Diese tiefgehenden emotionalen Hochmomente (bzw. Tiefpunkte) kann man aber im wahrsten Sinn an einer Hand abzählen. Ich befürchte deshalb, wer sich nicht emotional auf die Grundsituation einlässt, hat vom Film auch nicht so viel, weil er in dieser Betrachtung dann relativ oberflächlich bleibt. Denn die Konflikte, auch wenn sie enorm weitreichende Folgen haben (z.B. die Entscheidung zwischen Rückflug oder Proviant abwerfen) gehen so tief nicht in der Wahrnehmung. Auch hier wieder entsprechend dem Grundtenor: Abenteuer! Nichtsdestotrotz ist die Geschichte auf Mars und Erde insgesamt flott und fluffig erzählt und ist oft schön parallel montiert.

 

Das Raumschiffdesign ist elegant futuristisch, und trotzdem angenehm bodenständig, denn wir befinden uns ja nicht in einem weit entfernten Science Fiction. Technisch sind die Effekte, die naturgemäß schwerpunktmäßig Planetenumgebung und Weltall sind, erwartungsgemäß von exzellenter Qualität. Der Schlussakt der Rettungsmission, der auch außerhalb des Raumschiffs spielt, bietet hier sehr schöne Bilder und ist überaus spannend und mitreißend inszeniert! Bis zum Schluss war ich mir bei jeder Kleinigkeit nicht mehr sicher, ob alles vielleicht doch noch tragisch scheitert!

 

Den Cast fand ich angenehm, wobei Matt Damon mir beliebig erscheint, was aber nicht heißen soll, dass er fehlbesetzt wirkt. Ich dachte eigentlich, dass ich Jeff Daniels nach Dumm und Dümmer nie mehr ernst nehmen könnte, aber hier kommt er als Nasa-Chef gut rüber. Genau wie es angenehm ist, Sean Bean mal nicht als berittenen Krieger oder zwielichtigen Agenten zu sehen, sondern im Hemd mit Pullunder unsicher im Sessel rumrutschen. Die toughe PR-Frau, die immer wieder ängstlich dazwischenfunkt, erfüllt im Prinzip ein Klischee, ist aber ebenfalls als lockerer Gegenspieler inszeniert. Mackenzie Davis gestaltet die für mein Empfinden sympathischste Nebenrolle als nerdy Satelliten-Kommunikations-Irgendwas herzallerliebst.

 

Die Wissenschaft/Technik der Filmrealität nimmt man problemlos glaubwürdig mit. Wobei sie zuuu abwegig gar nicht sein dürfte, da die Nasa meines Wissens involviert werden muss, wenn sie in einer Filmproduktion porträtiert werden soll. Das geht sicherlich nicht so weit, dass jeder Aspekt auf 100%ige Realitätstreue geprüft wird, aber ich denke schon, dass abstruse Kalauer bemängelt werden. Kritisch wäre wahrscheinlich am Schluss das Aufschneiden des Raumanzugs, aber manchmal hat man bestimmt auch bei der Nasa einfach Glück, und in der Filmrealität lass ich mir das sehr gerne und ohne Beigeschmack gefallen.

 

Die Musik ist zurückhaltend und fiel weder positiv noch negativ auf. Einzig die Einspielungen von ABBA und ähnlichem (die inhaltlich begründet sind!), sind zwar am Anfang witzig, aber irgendwann für mich dann fragwürdig. Und die Verwendung des Gassenhauers 'I Will Survive' im Nachspann lässt mich dann doch einigermaßen unschlüssig zurück, ob das nicht doch erschreckend platt ist.

 

Insgesamt ist nicht klar definiert, wann der Film überhaupt spielt. Ich gehe von einer nahen, absehbaren Zukunft aus, da die Ares-Missionen ja real in Planung sind. Die Titelsequenz hat mich stilistisch witzigerweise stark an Alien von 1979 erinnert: All, Planetensilhuette, riesen Laufweite in der Schrift, und dazu ein dezenter musikalischer Akzent. Sollte das kein Zufall sein, was ich mir beim selben Regisseur schwer vorstellen kann, kann ich mir nur den unterschwelligen, ironischen Vergleich vorstellen, dass diesmal nun die Rollen vertauscht sind: Ein Mensch ist plötzlich das Wesen aus einer fremden Welt. Aber das ist wirklich nur ein anekdotenhafter Eindruck am Rand! Keine Sekunde geht der Film auch nur annähernd in die Alien-Richtung.

 

Mein Lieblingszitat (habe ihn auf englisch gesehen), wenn der Gestrandete festhält, dass er enorme technische Herausforderungen bewältigen muss, um gerettet zu werden: 'I’m gonna have to science the shit out of this!'

Sascha Loffl - Filmemacher

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