Meine heutige persönliche Filmkritik:

Die glorreichen Sieben
(2016)

Ein echter Western! Kompliment! Die Typen sind rau, die Bärte zerzaust, und die Haare fettig, dabei sitzt der Finger locker am Abzug. Der Film hat mir sehr gut gefallen, da er eine schöne Atmosphäre erzeugt. Die Charaktere sind interessant, wenn auch oder gerade weil genretypisch durchaus zerknirscht, sonderbar, unangenehm.

 

Die Handlung ist ja halbwegs bekannt, und bewegt sich erwartungsgemäß vom Auslöser über die Anwerbung über das Training zum Showdown hin. Das alles geschieht angenehm kurzweilig; die 130 Minuten vergehen ohne nennenswerte Flaute. Mich persönlich sehr gefreut hat, dass der Film überwiegend auf Kalauersprüche wie z.B. schmissige Einzeiler im Kampf verzichtet, dabei aber keineswegs unangenehm ernst bleibt.

 

Auch in der Kampfchoreographie empfinde ich eine schöne Ausgewogenheit zwischen dem 'klassischen' Wild-West-Gefecht, und einer zeitgemäßen Modernisierung der Action: Es findet alles ziemlich schnell und im Fluss statt und ziemlich zielsicher (praktisch jeder Schuss ein Treffer) - dabei geschmeidig und elegant, aber zum Glück wurde auf übertriebene Akrobatikeinlagen oder allzu spektakuläres Gespritze verzichtet (mal von einem Sprung mit Drehung abgesehen – wer den Film guckt wird erkennen welche Stelle ich meine). Dennoch wird im Western nun mal bis zum letzten Mann gekämpft, und der pflastert dann zusammen mit allen anderen die Straße. Der Body Count ist enorm.

 

Aber Gott sei Dank wird nicht nur geschossen: Es gibt eine große Schlacht als Showdown, die eine handwerklich einwandfreie Actionsequenz ist, aber am meisten Freude hat mir der Film beim 'ganzen Rest' gemacht: Gleich die Vor-Titel-Sequenz ist grandios! Zeit, Ort, Menschen und Stimmung werden eingeführt, und der Böse etabliert, der wirklich ein fieses Biest ist! Eigentlich sehr klischeebeladen mit Neigung zum Overacting, was aber im Western-Genre gesetzt und bewährt ist, und auch hier (fast immer) gut funktioniert.

 

Achtung Spoiler: Gut gestaltet ist, dass aus der Gesellschaft eine Person dezent herausgehoben wird, die uneigennützig helfen will, und auch ein Wort gegen den Feind wagt. Was mich als Zuschauer glauben ließ, dass sich diese Person sicherlich irgendwie durch die Handlung ziehen wird, z.B. sie wird im Verlauf immer mehr vom einfachen Gemeindemitglied zum überzeugten Verteidiger o.ä. Aber dann wird diese Person nur Minuten später gleich als erstes in einer barbarischen Nebensächlichkeit erschossen, und ein paar andere Männer und Frauen gleich mit. Das stellt auf brutale Weise gleich mal klar, dass kein Charakter sicher ist, und dass das Ende nicht automatisch heroisch oder wenigstens 'sinnvoll' ist. Der Tod der Person bietet dennoch praktisch den Auslöser für die gesamte Handlung, aber eben anders als ich als Zuschauer in dem Moment spontan im Sinn hatte.

 

Denzel Washington wirkt sehr glaubwürdig in der Rolle, spielt sie passend zurückhaltend, und wenn man sich seinen 'normalen' Gang (auch in anderen Filmen) betrachtet, hat er sich der Besetzungsliste eigentlich aufgezwungen! Der Mann muss einfach einen Pistolengürtel um die Hüfte tragend langsam durch die Saloontür schreiten! Die restlichen Charaktere wirken wie erwünscht zusammengewürfelt, und eine gelungene Kostüm- und Maskenarbeit hilft, sie lebendig werden lassen.

 

Der Look des Films ist realistisch, naturgemäß der Landschaft (die herrlich ist!) und den Holzbauten geschuldet in Braun-, Gelb und Grüntönen, wobei er nie in diese überwiegend sandige Gelbanmutung abdriftet, den es ja durchaus häufiger in Western gibt. Ich fand die Farbstimmung sehr schön.

 

Die Kamera fand ich super, weiß aber nicht warum. Es ist nicht so, dass spektakuläre Bewegungen vollzogen werden (was ja oft gar nicht so mein Fall ist, weil es schnell aufgesetzt und effektheischend wirkt). Die Kamera ist oft in Bewegung, aber dezent, nie aufdringlich, und auch nie aus 'unmöglichen' Blickwinkeln, bezogen auf Charaktere und Umgebung. Es gibt z.B. keine Aufnahmen aus der Luft. Die Bilder sind einfach schön eingefangen und kadriert und es macht Freude, jedes einzelne zu betrachten. Oft sind sie so gestaltet, dass sie beiläufig die Umgebung noch klarer etablieren: Wenn der Reiter langsam durch die Stadt reitet, fährt die Kamera parallel zu ihm mit, aber aus größerer Entfernung, so dass im Vordergrund noch Gärten o.ä. zu sehen sind. Das ist natürlich überhaupt nichts neues oder besonderes, oft setzt man diese Technik ja auch einfach aus ästhetischen Gründen ein, selbst wenn sie inhaltlich nicht begründet oder notwendig ist (Vordergrund macht Bild gesund). Aber hier finde ich, es erfüllt tatsächlich ihren Zweck auf mehreren Ebenen.

 

Klar erkennbar und toll gelungen sind die Genre-typischen Blickwinkel, v.a. bei den Duellen/Schießereien oder bei den Momenten davor, wenn die beteiligten Akteure nervös hin- und herblicken, die Nerven blank liegen und die Stimmung bedrohlich vor sich hinbrodelt und überzukochen droht. Dann kommen die Nahaufnahmen auf die über der Waffe schwebenden, ziehbereiten Hand, die verschwitzte Stirn, die zusammengekniffenen Augen, die Stiefel von hinten aus Froschperspektive mit dem Gegner in der Ferne, der Blick des Schützen auf dem Dach auf die Straße, der Alte hinter dem Fenster, der den Vorhang zuzieht, usw. Diese Situationen, von denen es mehrere gibt, sind ganz herrlich aufgelöst, und werden vom Schnitt ebenbürtig montiert.

 

Natürlich darf die Aneinanderreihung der entschlossen in die Ferne blickenden Gesichter auch bei diesen Sieben nicht fehlen, die streng nach Lehrbuch genommen keine schönen Schnitte sind, aber nun mal legendär, und damit eine schöne Hommage.

 

Die Musik ist stimmungsvoll und passend, mit dem herben Beigeschmack, dass James Horner ihn nur halbfertig abliefern konnte, da er in dieser Zeit bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Über seine Musik hatte ich mich ja schon mal an anderer Stelle ausgelassen: Ich finde einige seiner Scores von ihm ganz fabelhaft (z.B. Star Trek II: Der Zorn des Khan, Braveheart, Titanic, Aliens), aber auf Dauer nervte mich seine kleptomanische Selbstbedienung an seinen eigenen Stücken, die weit über das Maß einer wiedererkennbaren Handschrift hinausging. Auch im vorliegenden Score sind wieder zwei seiner ganz ganz typischen Elemente vorhanden, aber hier konnte ich mich damit anfreunden, da seine bevorzugte Instrumentierung hier tatsächlich gut ins Genre/in die Stimmung passte (wie das auf ähnliche Weise auch bei Braveheart schon der Fall war.)


Insgesamt also: Daumen hoch! Ein überzeugender Wild-West-Filmgenuss, der dem Genre Respekt zollt, ohne als Massenware in ihm unterzugehen.


Mein Lieblingszitat: Der Indianer mit dem Irokesenschnitt mault in seiner fremden Sprache über 'das Essen der Weißen'. Einer der Sieben will wissen, was er gesagt hat. Er bekommt sinngemäß als Antwort: 'Er bittet Dich, nicht so auf seinen Haaransatz zu starren.'


Als ich aus dem Kino kam bemerkte ich, dass eine wundervolle klare Nacht ist mit ungetrübtem Blick auf einen glitzernden Sternenhimmel. Ganz so als befände ich mich in der weiten Prärie, bereit, ein wärmendes Lagerfeuer zu entfachen und an mein ruhendes Pferd gelehnt verträumt mundharmonikaspielend mein Nachtlager aufzuschlagen…

Sascha Loffl - Filmemacher

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