Meine heutige persönliche Filmkritik:

Guardians of the Galaxy
(2014)

Diesen Streifen habe ich mir nur auf ausdrückliches Anraten angeguckt, denn der Trailer hatte mich ehrlich gesagt im Kino eher abgeschreckt: Noch so ein geleckter Hochglanz-Helden-Stuss mit absurd übertriebener Actionballerei und stupiden Sprüchen. Nun gut, heute war es soweit und ich habe ihn über mich ergehen lassen. Zum Formalen: Die Effekte sind natürlich oberste Qualitätskategorie – das war nicht anders zu erwarten, macht aber noch keinen guten Film. Was mich überrascht hat: Es ist nicht nur technisch einwandfrei, sondern auch vom Gestalterischen äußerst gelungen, stimmungsvoll, schön anzusehen und vor allem: Es wirkt frisch und unverbraucht anders bzw. eigen. Das Set Design und die Kostüme empfand ich ebenso: äußerst gelungen, stimmungsvoll, schön anzusehen und frisch. Und das ist insofern außergewöhnlich, da man unter ausgedehnter Science-Fiction-Seherfahrung schon einiges gewohnt ist. Müsste ich unbedingt einen Vergleich anstellen, würde ich ihn schon in die Star Wars-Richtung lenken, aber mit einer modischen Attitüde aus Richtung Das fünfte Element. Und die Star Wars-Anlehnung ist wohl nicht ganz weit hergeholt, schließlich gibt es z.B. ein großes eigenartiges Wesen, das nur von einem so richtig verstanden wird. Oder die Kommandozentrale beim Schlussgefecht hat mich an eine ähnliche Sequenz erinnert, in der General Akbar glaube ich einen Angriffsplan vorstellt oder so, ich weiß nicht mehr genau in welchem Star Wars-Teil das war. Von einem sternenreisenen Waisen names 'Starlord' mal ganz abgesehen… Das stört aber keineswegs, ich nehme diese Anleihen gerne als liebevolle Zitate an.

 

So, aber nun zum absolut ausschlaggebenden Kriterium, das mich nötigt, meinen ersten (vermuteten) Eindruck als komplett falsch zu revidieren und diesen Film zu loben: Das Dialogdrehbuch ist eines der tollsten in diesem Bereich, das ich seit langem gesehen/gehört habe! Also dem hier hin- und hergesagten zu lauschen ist eine wahre Freude! Zum letzten Mal so begeistert von einem Drehbuch war ich bei The Wolf of Wall Street – nein, ich will diese beiden Filme nicht miteinander vergleichen, das wäre absurd! Es geht mir um das Erlebnis 'Meine Güte, das ist aber herausragend gut geschrieben!', das man nicht nur an ein paar Stellen bei flotten Sprüchen oder eindrucksvollen Reden hat, sondern über die gesamte Laufzeit. Was man dabei klar festhalten muss: Guardians of the Galaxy ist nicht als Fantasy/Science-Fiction mit humoristischen Elementen angelegt, sondern ganz klar komplett als Komödie. Aber eben gerade die lustigen Sprüche empfand ich hier sehr angenehm gestaltet und niemals platt. Dazu stellenweise wunderbare Komik in den Aktionen, und – mein Lieblingsaspekt – diese parodiert auch gerne mal den Film bzw. das Filmgenre bzw. die filmtypische Ausgestaltung einer bestimmten Situation an sich. Und das ist toll gelungen. Als Paradebeispiel die Szene, in der sich nach und nach alle 'gefallenen Helden' von ihren Sitzen erheben und zusichern, beim Himmelfahrtskommando mitzuwirken. Eine gewohnte Szene, schon 1000 Mal gesehen, und natürlich hat auch die selbstbewusst anschwellende, fanfarenhafte Musik nicht gefehlt. Aber dann steht der Nager auf und erwähnt: 'Ja, na gut, jetzt steh ich auch! Ein Haufen Idioten steht im Kreis!' Herrlich! Ich mag es sehr, wenn ein Film von den Stimmungen her eng verwoben ist und sich die unterschiedlichen Emotionen gleichberechtigt ablösen. Das gibt ihm eine gewisse Lockerheit, da z.B. eine dramatisch traurige Stimmung nicht so lange nachwirkt, dass man erst mal einen Moment braucht, um sich wieder Slapstick widmen zu können, sondern der Slapstick holt die vorhergegangene Tragik ab und wandelt sie um. Schwer zu beschreiben, da es ja eine rein gefühlsmäßige Empfindung ist. Deswegen ist sie für den Filmemacher auch eine schwer vorhersagbare/planbare Gratwanderung.

 

Die Handlung an sich, die natürlich in einen spektakulären Showdown mit einem bösen Endgegner mündet, ist nicht neu, bewegt sich aber in einer angenehm ungewohnten, allumfassenden Skurrilität. Hier greift wieder mein Hauptargument für diesen Film: Das WAS ist nicht das Besondere, sondern das WIE. Und beim WIE muss man sich natürlich auch dem Einsatz von 60/70er-Jahre-Musik zuwenden. Ich war skeptisch, aber es ist schön erfrischend, weil es auch nicht zu aufdringlich wird. Und die skurrilen Tanzeinlagen zu Beginn und am Schluss sind auch nicht skurriler als die Gesamtkonzeption an sich, von daher: Passt!

 

Insgesamt ist die Erzählweise schön komprimiert, aber nie aufdringlich, sodass der Film insgesamt flott und kurzweilig wirkt ohne jeglichen Ansatz von Langatmigkeit. Sogar die heroische Schlussequenz, die episodenhaft montiert emotionale Momentaufnahmen zusammenfasst, hat mir hier gefallen, und solche Dinger driften für mich gerne mal in doofen Schmalz ab. Vielleicht fällt aber der Schmalz auch einfach weniger negativ auf, da man sich ohnehin wie  erwähnt immer in einer etwas komischen Grundstimmung bewegt. Und zwischendurch wird es relativ unerwartet sogar ziemlich böse schwarzhumorig, z.B. wenn beim Tanzen rattenähnliches Ungeziefer gekickt wird, oder wenn der Nager Drax‘ Trauer nachäfft. Hier bin ich persönlich oft empfindlich, aber es wird erzählerisch gut abgefedert und aufgefangen und dadurch funktioniert es ebenfalls gut. Zumal man wiederum das Genre berücksichtigen muss. Wir befinden uns ja nicht in einem Drama. Dennoch finde ich üblicherweise keinen Gefallen an allzu zynischen Sachen unter der Gürtellinie. Hier empfand ich es als sehr gekonnt gestaltet (s.o. Stichwort Gratwanderung).

 

Der Score ist einwandfrei, aber gewohnt und nicht außergewöhnlich.

 

Fazit: Für mich persönlich die völlige Überraschung auf angenehme Weise. Und das in einem Bereich (Dialogdrehbuch), den ich in einem Film dieser Art am wenigsten erwartet hätte. Vielen Dank für den Filmtipp.

Sascha Loffl - Filmemacher

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