Meine heutige persönliche Filmkritik:

The Wolf of Wall Street
(2013)

Es besteht die Gefahr einer euphorisch ausartenden 16-Seiten-Kritik - ich gebe mir Mühe das zu vermeiden! In Kürze: Exzellent! Ich liebe ja gute Drehbücher, die guten Darstellern eine gute Basis für gute Leistungen ermöglichen. Und genau das ist auch das Herausragende an diesem Film: Für mich eines der besten Dialogdrehbücher seit langem! Die Gespräche und wie sie ablaufen sind filmische Hochkunst, dargeboten von einem freudig agierenden Ensemble, bestehend aus perfekt gecasteten Darstellern, die die Charaktere mit hervorragender Maske und Kostüm dermaßen gelungen gestalten, dass ich freudig jauchzen möchte. Leonardo DiCaprio gefällt mir inzwischen je älter je besser. Er passt in diese Rolle einwandfrei. Zusammen mit Jonah Hill (den ich zuvor tatsächlich gar nicht kannte) bilden sie ein formidables Duo.

 

Ja, der Film ist in weiten Teilen unerhört, laut, ordinär, unverschämt, versaut, voll von Drogen und Sex-Partys, und das ist auch gut so! Die gesamte maßlose Atmosphäre wird perfekt etabliert und zieht den Zuschauer völlig in seinen Bann – was ja nicht heißt, dass man ihr zustimmt oder sich darin wohlfühlt. Zum Beispiel sind die Motivationsreden übertrieben und nahezu absurd, was aber absolut passend ist und diesen Effekt verstärkt. Man findet das ganze schon witzig, empfindet aber durch die Absurdität im Hinterkopf auch eine gewisse Ungläubigkeit der Situation gegenüber. Schwer in Worte zu fassen. Es entsteht einfach ein bestimmtes allumfassendes Gefühl, eine Empfindung, die bestätigt, das Film Zauber sein kann.

 

Mehrheitlich ist die Handlung und deren Inszenierung eigentlich relativ leichte Kost und geradezu Tarantino-like. Aber da ist mehr. Ich bin mal so anmaßend zu behaupten, dass man schon etwas Filmerfahrung und Aufmerksamkeit mitbringen muss, um die emotionalen Wendepunkte, die Sprengkraft mancher nebenbei fallenden Aussage oder den charakterlichen Ausdruck eines Witzes und damit die Feinheiten des Drehbuchs zu erkennen. Ansonsten bleibt möglicherweise nur das Bild einer versauten Gaunerkomödie, was schade wäre und dem Film Unrecht täte. Aber zugegeben: Die wirklich tiefsinnigen Momente kann man an einer Hand abzählen. Es handelt sich für mich also nicht um die Darstellung eines Lebensdramas. Damit will ich keinesfalls abwerten, lediglich stilistisch einordnen.

 

Laut IMDb durften die Darsteller vieles im Film improvisieren, und das ist dermaßen gelungen! Formal ist der Film wunderbar launig inszeniert, mit stellenweisem Monolog in die Kamera und Ausschnitten wie in einem mittelmäßigen Werbespot, wenn zum Beispiel die Yacht präsentiert wird. Tolle (größtenteils völlig unaufdringliche!) Kamera und gemächlicher Schnitt ergänzen das Gesamtbild zu einem Schmaus für Augen und andere Sinne.

 

Meine Lieblingsszene (neben allen anderen): Gleich am Anfang das Gespräch im Restaurant, wenn Matthew McConaughey Leo an seinem ersten Tag an der Wall Street erklärt wie es hier so läuft. Große Schreib- und Schauspielkunst! Ich verneige mich - nicht nur dafür.

Sascha Loffl - Filmemacher

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